Initiative 2000plus in Bayern

Hintergrund

Zellstoff- und Papierproduktion in Indonesien

Auszüge aus einem Reisebericht vom 01. bis 19. April 2001
von Barbara Happe, urgewald

Das große Plündern auf der "Insel der Hoffnung"

Wegen ihres Reichtums an natürlichen Ressourcen wie Tropenhölzern, Erdöl und Erdgas trägt die zweitgrößte indonesische Insel Sumatra im Volksmund auch die Namen 'Goldinsel' oder 'Insel der Hoffnung#. Seit geraumer Zeit erreichen uns allerdings kaum noch optimistisch stimmende Mitteilungen von dort, im Gegenteil: die dortigen Umwelt- und Menschenrechtsgruppen berichten von der Plünderung der natürlichen Ressourcen, von der Verschmutzung der Umwelt und damit zusammenhängenden gesundheitlichen Risiken für die lokale Bevölkerung und von Landrechtskonflikten. Maßgeblich beteiligt an diesen Entwicklungstrends sind internationale und auch deutsche Finanzinstitutionen und Firmen, die über Exporte und Kredite seit Mitte der 80er Jahre ihren Beitrag zum Ausbau der Zellstoff- und Papierproduktionskapazitäten geleistet haben. Allein von deutscher Seite wurden ab Mitte der 80er Jahre immerhin Hermesbürgschaften in Höhe von fast einer Milliarde DM für indonesische Zellstoff- und Papierwerke übernommen.

Das Gros des in Indonesien produzierten Zellstoffs und Papiers geht in den Export und dient damit der Befriedigung des steigenden Papierbedarfs von VerbraucherInnen in den Industrieländern, u.a. auch in Europa. In Indonesien lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Papier 1999 gerade mal bei 16,2 kg. Im Vergleich dazu wurden in Deutschland im Jahr 1999 pro Person 214,6 kg Papier verbraucht.

Aufgrund der deutschen Beteiligung an der Finanzierung von Zellstoff- und Papiermühlen sowie Aufgrund des Verbrauchszuwachs und der damit verbundenen steigenden Nachfrage nach Zellstoff und Papier auf dem deutschen Markt entschlossen wir uns zu einem eigenen Rechercheaufenthalt in Indonesien. Vom 01. bis 19. April 2001 besuchte ich für urgewald Zellstoffwerkstandorte auf der indonesischen Insel Sumatra (Palembang, Jambi, Pekanbaru) und die Hauptstadt Jakarta. Der Fokus dieser 'Besichtigungstour' lag darauf, die gesundheitlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen der Zellstoff- und Papierprojekte auf Mensch und Natur selbst kennen zu lernen und die - von den internationalen Finanziers immer wieder betonte - 'Förderungswürdigkeit' und 'wirtschaftliche Vertretbarkeit' der Projekte zu überprüfen.

Der Zellstoff- und Papierboom

Zellstoff- und Papierproduktion sind ein Wachstumssektor in Indonesien. Das Land ist reich an Wald, das Klima günstig für den Holzwuchs und die Holzkosten sind auf dem Weltmarkt unschlagbar niedrig. Dies veranlasste die indonesische Regierung Mitte der 80er Jahre, den Ausbau der Zellstoff- und Papierproduktionskapazitäten über großzügige Subventionen (wie z.B. Steuervergünstigungen) zu fördern. Internationale Finanzinstitutionen und Firmen beteiligten sich dabei bereitwillig an diesem Vorhaben: 12 der heute 81 Zellstoff- und Papiermühlen des Landes, die 70% der Zellstoff- und 43% der Papierproduktion bereitstellen, gehen auf Investitionen ausländischer Firmen zurück. Insgesamt gibt es inzwischen 65 Papierfabriken, 6 Zellstofffabriken und 10 kombinierte Fabriken auf indonesischem Territorium. Die Zellstoffproduktion konzentriert sich dabei hauptsächlich auf die Insel Sumatra (83%) und die Papierproduktion zu 84% auf Java. Die jährlichen Produktionskapazitäten liegen derzeit bei 8,5 Mio. t Papier und fast 5 Mio. t Zellstoff und haben sich damit seit Ende der 80er Jahre in beiden Sektoren versiebenfacht. Heute gehört Indonesien weltweit zu den 'Top 10' unter den Zellstoff- und Papierproduzenten.

Überdimensionierter und illegaler Holzeinschlag

Mit dem Ausbau der Produktionskapazitäten stieg auch die Nachfrage nach dem dafür benötigten Rohstoff Holz drastisch an. Bis 1999 war allerdings erst ein Bruchteil der für diese Zwecke ausgewiesenen Plantagenflächen de facto angelegt worden. Holzunternehmen und Zellstoffproduzenten setzen stattdessen auf die kostengünstige Variante der Plünderung und Ausbeutung der natürlichen Holzreserven, ohne kahlgeschlagene Flächen - wie gesetzlich eigentlich vorgeschrieben - im Gegenzug wieder mit Plantagenhölzern aufzuforsten. Nach Berechnungen des Forschungsinstitutes CIFOR sind nur ca. 10% der Hölzer, die in den indonesischen Fabriken zunächst zu Zellstoff und z.T. zu Papier weiterverarbeitet werden, Plantagenhölzer. 30- 40% der Hölzer stammen aus illegalen Quellen, und dabei machen die Konzerne selbst vor der Plünderung von Naturschutzgebieten nicht halt. Aufgrund dieser 'tabula-rasa'- Holzeinschlagspraxis werden mittelfristig Engpässe bei der Versorgung der Zellstoff- und Papierfabriken mit Holz - sowohl Natur- als auch Plantagenhölzer - auftreten. Denn es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Großteil des Holzbedarfes für die Zellstoffmühlen nicht mehr aus natürlichen Mischwäldern gedeckt werden kann und bis selbst der letzte Bürokrat im Forstministerium eingestehen muss, dass es auf dem Papier zwar eine hinreichende Menge an Plantagenhölzern gibt, ein Großteil der zugesagten und in Geschäftsberichten dokumentierten Plantagen jedoch de facto niemals angelegt worden ist.

Nach Schätzungen des Forstministeriums verlor Sumatra insgesamt zwischen 1985 und 1997 6,7 Mio. ha Wald (jährliche Entwaldungsrate: 560.000 ha) und damit fast 30% der noch vorhandenen Waldflächen. Unter Beibehaltung des jetzigen Entwaldungstempos wird Sumatra nach Schätzungen von Weltbankexperten bereits im Jahre 2005 über keine natürlichen Wälder mehr verfügen, die sich für die Zellstoffproduktion eignen.

Und wenn es keine adäquaten Hölzer mehr gibt, dann verliert die Zellstoff- und Papierproduktion in Indonesien auch ihren ökonomischen Reiz, da der Preis für Zellstoff auf dem Weltmarkt deutlich oberhalb des derzeitigen indonesischen Preises liegt. Fehlende staatliche Regulierung ist maßgeblich für die massive Ausbeutung der Holzressourcen auf Sumatra verantwortlich. Ein dicht gesponnenes Netz von Korruption zwischen Holzkonzernen, staatlichen Behörden auf allen Ebenen und Teilen der lokalen GemeindevertreterInnen verhindert wirksame Kontrollen, und ermöglicht es den Holzkonzernen, Berichte bezüglich Holzeinschlagquoten und Plantagengrößen zu fälschen.

Auch das indonesische Forstministerium hat das Problem des illegalen Holzeinschlags bereits vor längerem öffentlich als Problem erkannt - es mangelt allerdings noch immer an wirkungsvollen und glaubwürdigen Bekämpfungsstrategien und -aktionen. Im Forstministerium herrscht reger Personalwechsel: ehemalige ranghohe Beamte klagen über fehlende Sanktionsmöglichkeiten gegenüber ranghohen Mitgliedern der Holz-'Mafia' (gemeint sind hier Holzkonzerne, die in illegale Machenschaften bei der Bewirtschaftung ihrer Konzessionsflächen verstrickt sind), da deren Handeln durch hohe politische Akteure geschützt werde, die ggf. über einige Telefonanrufe die Freilassung von 'Mafia-Bossen' erwirken könnten.

Der Konflikt um die Landrechte

Der Prozess der sogenannten 'Erschließung' der Land- und Rohstoffreserven für die Zellstoff- und Papierproduktion hat Landrechtskonflikte hervorgebracht bzw. geschürt. Bereits in den 70er Jahren begann die indonesische Regierung damit, großzügig Konzessionen zur gewerblichen Nutzung von Land an einige große Holzkonzerne zu vergeben. Dies jedoch oftmals, ohne Rücksicht auf traditionelle Landrechtsstrukturen ('adat') und 'Gemeindeland' zu nehmen. Ebenso selbstverständlich wie der Staat und die Holzkonzerne bedienen sich teilweise Zellstoffwerke dieser Ländereien, ohne bzw. indem sie nur minimale Entschädigungen (zu) zahlen. Brandstiftungen auf 'community-Land', durch MitarbeiterInnen von Holzfirmen gelegt, um Primärwälder in Plantagen umwandeln zu können, runden das Bild der Landrechtskonflikte ab, die den Lebensraum der lokalen Bevölkerungsgruppen einschränken und zerstören. Bei Landrechtskonflikten jeglicher Art gelingt es den Firmen oftmals, die DorfbewohnerInnen über korruptive Machenschaften in eine BEFÜRWORTER- und eine GEGNER-Fraktion zu spalten. Zur Befürworter-Fraktion gehören in der Regel der staatlich eingesetzte 'Dorfchief' und seine AnhängerInnen, die sich pragmatisch, opportunistisch in korruptive Netzwerke einbinden lassen, um wenigstens in irgendeiner Form von der - 'eh nicht zu verhindernden'-Wegnahme der Ländereien bzw. Plünderung des Holzes zu profitieren. Nur selten kommt es zu geschlossenen Protesten von DorfbewohnerInnen gegen widerrechtliche Plünderungen, und diese sind dann auch oft zum Scheitern verurteilt, da lokale Militär- und Polizeikräfte oftmals Teil der korrupten "Seilschaften" sind und Widerstand durch Einschüchterungstaktiken frühzeitig zu unterbinden wissen.

Leidtragende sind die lokale Bevölkerung und die Umwelt

Die Papier- und Zellstoffindustrien des Landes sind zugleich die größten Verbraucher von Chlorsubstanzen. Chlorverbindungen werden in der Zellstoffproduktion beim Bleichen eingesetzt, um die aus Holz zu gewinnende Zellulose vom Lignin zu lösen. Nach Schätzungen aus Industriekreisen entstehen dabei jährlich 500.000 t Chlor'abfälle, die insgesamt für knapp die Hälfte der Chlor-Emissionen des gesamten Landes verantwortlich sind. Die Lebensbedingungen in den Dörfern entlang der Flüsse, in die die Abwasser der Zellstoffmühlen eingeleitet werden, haben sich seit der Inbetriebnahme und Kapazitätsausdehnung der Fabriken auf erschreckende Weise verschlechtert. Die Zahl von Hauterkrankungen in Form von Schuppenbildungen und Pilzinfektionen an Armen, Rücken und Nacken, hat konstant zugenommen. Prof. Trabani Rab diagnostiziert in einigen dieser Dörfer zudem eine überproportional hohe Zahl von Atemwegserkrankungen. DorfbewohnerInnen klagen über die Verseuchung des Grundwassers und den Rückgang des Obstbestandes ihrer Bäume. Fischfang zur Überlebenssicherung ist ferner auch nur noch eingeschränkt möglich, da der Fischbestand und die -erträge deutlich rückläufig sind. Einige Fischer zeigen mir Zeitungsausschnitte, in denen über den Tod von Tausenden von Fischen und Krabben in ihren Flüssen nach Unregelmäßigkeiten in den Fabriken berichtet wird. In allen von mir besuchten Dörfern entlang der Zellstoffmühlen zeigen sich ähnliche Krankheitssymptome, allerdings in unterschiedlichen Ausmaßen. Von Juckreiz nach dem Baden, von Hustenanfällen und Atembeschwerden wird mir allerdings überall berichtet. Je schlechter und seltener die Abwasseranlagen der Werke funktionieren, je näher die Dörfer an den Werken liegen und je häufiger das Flusswasser zum Trinken und Baden benutzt wird, desto zahlreicher die Krankheitsfälle und desto gravierender die Krankheitsverläufe.

Ein schlechtes Tauschgeschäft

Deutsche Banken und Unternehmen haben sich mit Rückendeckung durch den deutschen Staat am überdimensionierten Zellstoff- und Papierboom und somit an der Plünderung der Wälder in Indonesien beteiligt; v.a., um das eigene Investitionsbedürfnis und den Papierhunger in den Industrieländern befriedigen zu können. Die indonesische Bevölkerung muss nun allein die Kosten dieser fragwürdigen Entwicklungen tragen: sie sieht sich im Gegenzug mit der Zerstörung ihrer Umwelt und der Verschmutzung ihrer Gewässer und Luft konfrontiert. Ein schlechtes Tauschgeschäft.



zurück zur Hintergrund-Startseite





Weiterführende Informationen über Einsatz von Recyclingpapier gibt es auf der Website http://www.treffpunkt-recyclingpapier.de der überregionalen Initiative 2000plus, deren bayerischen Aktivitäten Pro REGENWALD koordiniert.